Dramatherapie bietet eine Vielzahl an Methoden, die immer wieder neu kombiniert werden können, auch mit anderen künstlerischen Medien wie Musik, Tanz, Literatur oder bildender Kunst. Die große Stärke von Dramatherapie ist die Möglichkeit, zu improvisieren und starre Muster zu verlassen. Wir betreten einen Raum, in dem das Spielerische erlaubt ist.
An dieser Stelle möchte ich ein paar der klassischen Methoden aus der Theatertherapie / Dramatherapie vorstellen, damit Sie einen Eindruck bekommen und sich etwas Konkretes darunter vorstellen können.
Die Heldenreise geht u.a. auf Joseph Campbell zurück, der sie als Muster in allen Geschichten verschiedener Kulturen erkannte. Auch Spielfilme sind danach aufgebaut. Im therapeutischen Kontext wird sie oft als sogenannte 6-Bilder-Geschichte nach Alida Gersie umgesetzt.
Am Anfang steht ein Held / eine Heldin, es ist die Hauptfigur der Geschichte. Sie folgt einem Ruf, hin zu einem Ziel - die Mission beginnt. Ein Helfer / eine Helferin begegnet ihr, das kann ein Mentor sein, aber auch ein Werkzeug oder ein Tier. Diesen Helfer braucht sie auch, denn ein Hindernis stellt sich ihr in den Weg. Kann die Heldenfigur das Hindernis überwinden? Wie schafft sie das? Zum Schluss erreicht sie das Ziel und gewinnt neue Erfahrungen und Erkenntnisse.
Die Geschichte wird in sechs einfachen Bildern gezeichnet und kann anschließend als szenisches Spiel umgesetzt werden. Dabei kann der Autor / die Autorin verschiedene Rollen (Held/in, Helfer/in, Hindernis) und verschiedene Strategien ausprobieren oder als Zuschauer/in von außen zusehen.
Das Rollenspiel ist eine klassische Methode, die auch in der Verhaltenstherapie angewendet wird. Real erlebte Situationen aus der eigenen Biografie werden nachgespielt und verändert. Wie habe ich mich in der Situation gefühlt? Wie habe ich reagiert? Und wie könnte ich statt dessen reagieren und handeln?
Es können Situationen gespielt werden, die in der Zukunft noch bevorstehen und vor denen man Angst hat. Das ermöglicht ein "Probehandeln" und eine Vorbereitung auf diese Situation. Auch ist es möglich, die Rollen zu tauschen. Wenn es um einen Konflikt mit einem Freund geht, könnte man als Klient/in in die Rolle des Freundes schlüpfen und die Situation aus seiner Position spielen. Ein Perspektivwechsel findet statt und hilft, neue Lösungsansätze zu erkennen.
Die Teilnehmenden sitzen bequem auf einem Stuhl oder liegen auf einer Matte, vielleicht möchten sie auch lieber stehen und sich leicht bewegen. Sie lauschen einer Geschichte, die erzählt wird, und die Fantasie trägt sie zu fernen Orten, die Kraft und Frieden spenden.
Märchen waren ursprünglich keine Geschichten für Kinder, sondern wurden von und für Erwachsene erzählt. Sie stecken voller symbolischer Bedeutungen und sogenannten Archetypen, also Gestalten, die den Menschen in allen Kulturen und seit Urzeiten bekannt sind. Zum Beispiel die alte Weise, die Rebellin oder der Entdecker. Der bekannte Psychoanalytiker Carl Gustav Jung war einer der ersten, der sich eingehend mit Archetypen sowie Symbolen des Unbewussten beschäftigt hat.
In der Theater- und Dramatherapie kann durch die Arbeit mit Märchen eine "ästhetische Distanz" zu den Rollen geschaffen werden. Als Rumpelstilzchen darf man wütend sein, toben und auf den Boden stampfen - auch wenn man das im realen Leben vielleicht niemals tun würde.
Themen wie Angst, Verführung, Tod, Trauer, Prüfung, Liebe, Verirrung, Aufopferung, Kampf oder Abschied kommen in den Märchen vor und können mit der eigenen persönlichen Bedeutung verknüpft und verarbeitet werden.
Auch Masken und Verkleidung, zum Beispiel aus farbigen Tüchern, stellen eine Form der Verfremdung dar und schaffen eine "ästhetische Distanz". Hinter einer Maske kann man sich verstecken, man muss nicht sein wahres Gesicht zeigen. Gleichzeitig schaffen Masken und Verkleidungen die Möglichkeit, zu jemand ganz Anderem zu werden - nicht nur in der Vorstellung, sondern sichtbar.
Im therapeutischen Prozess können Masken von den Klientinnen und Klienten selbst hergestellt werden. Aufwändig aus Gipsbinden und Acrylfarbe oder ganz schlicht aus Papiertüten wie auf diesem Foto. Dabei geht es nicht darum, ein handwerklich perfektes Kunstwerk zu schaffen, sondern sich selbst auszudrücken und auszuprobieren. Soll meine Maske Schönheit zeigen oder soll sie ganz bewusst hässlich aussehen, um die inneren Ängste nach außen zu transportieren? Soll sie lachen oder soll sie weinen, zornig blicken oder zwei ganz widersprüchliche Seiten zu einem einzigen Gesicht verbinden?
Bei dieser Methode von Richard Schechner ist der Fußboden großflächig mit Papier ausgelegt. Die darauf markierten neun Quadrate bieten jeweils genug Platz, um sie zu betreten. Jede der Emotionen weckt unterschiedliche Erinnerungen, jede Box darf erspürt werden.
Vielleicht kommen Gedanken oder Impulse, dann darf man diese in das Quadrat schreiben oder malen, später auch körperlich als Geste, als Laut oder als gesprochenes Wort ausdrücken. Weinen, schreien oder auf den Boden stampfen sind erlaubt. Welches Gefühl kenne ich gut aus meinem Leben? Und welches zeige ich nur selten oder fällt mir schwer?
Manchmal fehlen die Worte. Dann ist es möglich, mit sogenannten Standbildern zu arbeiten und ein Gefühl oder eine Situation als Körperhaltung zu zeigen.
Wer traurig ist, lässt vielleicht die Schultern hängen, blickt auf den Boden oder hält sich die Hände vors Gesicht. Wer innerlich einen Zorn verspürt, verschränkt vielleicht die Arme und fixiert sein Gegenüber mit einem schneidenden Blick, wie die Frau auf dem Foto.
Manchmal ist es aber gar nicht so eindeutig, was man da eigentlich fühlt oder die Gefühle sind widersprüchlich. Dann kann es helfen, wenn eine andere Mitspielerin das eigene Standbild kopiert und man es selbst von außen betrachten kann. Von außen sieht man oft viel mehr.
Und vielleicht fallen Ihnen jetzt doch Worte ein: Was könnte diese Statue denken? Was könnte sie sagen oder ausrufen? Macht sie eine Bewegung dazu, vielleicht eine Drohgebärde? Und gegen wen oder gegen was ist diese Gebärde gerichtet?